Digitalisierung der Verwaltung nimmt Fahrt auf
Meldung aus Neu-Eichenberg„Lange Zeit wurde die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung durch fehlende rechtliche Grundlagen und Verzögerungen beim Bund und den Ländern behindert. Das hat auch die Kreise bei der Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie ausgebremst. Nach dem nun wichtige Rahmensetzungen durch Bund und Länder erfolgt sind, können auch die Kreises den Digitalisierungsweg zügiger beschreiten“, skizziert Landrat Stefan Reuß die Ausgangssituation.
„Konkret bereiten wir uns auf den Aufbau des sogenannten Portalverbundes vor, der es unseren Kunden ermöglichen wird auf jedem deutschen Verwaltungsportal alle Dienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen zu beantragen. Auch die Dienstleistungen des Kreises sollen hier aufgenommen werden. Unser Ziel ist der Aufbau eines Kundenportals zur Bündelung der elektronischen Antragsformulare und digitalen Angebot in dem bis zu 244 Dienstleistungen des Kreises angeboten werden sollen. Auch werden wir unser Portal mit den Computerprogrammen verbinden, die zur Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen verwendet werden, die elektronische Akte einführen und Arbeitsabläufe optimieren, um Antragsprozesse zu beschleunigen und transparenter zu machen.
Bereits umgesetzt sind beim Werra-Meißner-Kreis die elektronischen Antrags-Projekte „Bauanträge Online“ sowie die „Kfz-Zulassung Online“ (Außerbetriebsetzungen, Wiederzulassungen, Neuzulassung eines fabrikneuen Fahrzeugs, Umschreibung mit Halter- und/oder Wohnsitzwechsel). Eine Handvoll weiterer konkreter Projekte befinden sich in Umsetzung und werden das Angebot in den kommenden Monaten erweitern. Aber auch unsere Internetpräsenz soll in den kommenden Monaten neu strukturiert und benutzerfreundlicher gemacht werden“, berichtet der Landrat weiter.
„Wir sind, im Verhältnis zu vielen anderen öffentlichen Verwaltungen viel weiter. Haben inzwischen viele Akten bereits digitalisiert und entsprechende Softwarelösungen gefunden. Dazu gehört auch die elektronische Überwachung der Haushaltsführung, wodurch der Behördenleitung mittels Dashboardeinsatz ein täglicher Überblick vorliegt.
Meine aktive Mitarbeit im Innovationsring des Deutschen Landkreistages über viele Jahre hinweg hat uns sehr geholfen, mit den Kollegen aus 11 anderen deutschen Landkreisen einen Austausch zu haben und immer wieder neue Schritte vorantreiben zu können.
Ich finde es schade, dass in völliger Unkenntnis der interneren Abläufe oft behauptet wird, wir würden auf dem digitalen Weg noch nicht weit sein. Das Gegenteil ist der Fall, aber scheinbar haben Außenstehende überhaupt keine Kenntnis so davon, welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten und einzuhalten sind. Besonders auch die Datenschutzvorschriften in Deutschland sind für öffentliche Verwaltungen eine wichtige Herausforderung“, so Landrat Stefan Reuß mit einem persönlichen Fazit.
„Erste Erfahrungen mit elektronischen Akten gibt es beim Werra-Meißner-Kreis, ausgehend von einem Projekt in der Kfz-Zulassungsstelle, bereits seit Ende der 90er Jahre. Seitdem wurden Akten für allgemeines Schriftgut sowie spezielle Lösungen für elektronische Führerscheinakten, Betreuungsakten, Ausländerakten, Akten für Unternehmensbeteiligungen und ein elektronisches Archiv für Personalakten eingeführt. Das nächste Ziel ist nun die Einführung der E-Akte in den Fachbereichen, die im kommenden Sommer in das neue Verwaltungszentrum am Schlossplatz einziehen sollen. Anschließend sollen die verbleibenden Fachbereiche der gesamten Verwaltung folgen. Die technischen Grundlagen in Form eines Dokumenten-Management-Systems wurden bereits geschaffen. Nun werden schrittweise die einzelnen Abteilungen der Verwaltung in das System integriert“, erläutert Landrat Reuß den Projektstand.
Abgeschlossen sind bereits die Projekte Geografisches Informationssystem und Geodateninfrastruktur Nordosthessen zusammen mit dem Schwalm-Eder-Kreis, dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg sowie 62 Städten und Gemeinden.
„Problematisch bleibt für den Kreis der Einsatz von „Sozialen Medien“ wie Facebook. Aufgrund der derzeitigen Rechtslage wird von einer Nutzung sozialer Medien durch öffentliche Verwaltungen dringend abgeraten. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hat in seinem Urteil vom 16. Juli 2020 den Beschluss 2016/1250 der Europäischen Kommission zur Übermittlung personenbezogener Daten in die USA (Privacy Shield) für unwirksam erklärt. Nach dem Urteil ist die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA auf der Grundlage des Privacy Shield unzulässig und musste unverzüglich eingestellt werden. Standardvertragsklauseln gelten zwar weiter, jedoch unterliegen die persönlichen Schutzrechte sehr hohen Maßstäben. Die Nutzung sozialer Medien durch öffentliche Stellen ist allenfalls unter Einhaltung zahlreicher hoher Hürden und Handlungsvorgaben denkbar, deren Erfüllung für öffentliche Stellen derzeit aber praktisch kaum möglich ist“, erläutert der Landrat die schwierige Rechtssituation.